Donnerstag, 5. Juli 2012

Wie im Sturzflug - reset to zero


Aha! Eine Assistentin des Gatekeepers! Ein Barkeeper oder auch nur seine Assistentin wären ihr jetzt wesentlich lieber gewesen. Sie brauchte dringend einen Schnaps, ein Erdbeercocktail würde es auch tun, um zu verkraften, was sie da eben gesehen hatte! Diese bunten Virsusschlierendinger  schienen für den Transport von einem Ort der Welt an einen anderen verantwortlich zu sein. So viel hatte sie mit ihrem einfachen Gemüt oder besser mit ihrem messerscharfen Verstand kapiert. In Gedanken ließ sie ihre Reise von Luckenwalde nach Ost-Berlin sausen. Sie musste nicht mehr an diesen alten Ort ihres merkwürdigen und für sie bisher ungeklärten Transportes, damals Anfang 89, zurück kehren. Naja, irgendwie auch logisch, schließlich war sie ja diesmal inmitten einer Gartenanlage namens „ Frohe Zukunft“ – sie konnte sich ein Grinsen über diesen absurden Zufall nicht verkneifen - in Luckenwalde von 1984 (!) gelandet! Der Ort schien für ein Hin oder Zurück offensichtlich nicht von Belang. Es gab wohl mehrere Gates, die mit Wurmgängen, wie Kloppi Klaus ihr versichert hatte, miteinander unterirdisch verbunden waren. - „Was grinsen Sie denn so?“ fragte Frau Müller-Hein. „Irgendetwas Verdächtiges, Merkwürdiges?“ Die Frage machte Rupp Rechta misstrauisch. Sie schaute die Dame an, die angeblich Müller-Hein hieß. Sie sprach ein wirklich perfektes, ja makelloses Deutsch, etwas zu perfekt, wie ihr jetzt schien. Sie sah sie genauer an, Highheels, schicker Damenanzug, Sonnenbrille – wozu bloß um alles auf der Welt eine Sonnenbrille um diese Tageszeit!? - dazu eine Figur wie die Models vom Laufsteg und voll durchtrainiert! Sie mochte höchstens Ende Zwanzig sein.  Und dann fiel es Rupp Rechta wie Schuppen aus den Haaren. Diese Dame war vom CIA! Jetzt war allergrößte Vorsicht geboten. Sah sie das Gleiche wie sie, Rupp Rechta? Wollte sie sie ausforschen? - „Ach nix.“ sagte Rupp Rechta so gelassen als möglich. „Ich musste nur gerade an meine Kinderzeit denken, wissen  Sie?, als ich das erste Mal durch ein Spiegel-Kaleidoskop schaute und plötzlich ganz viele Cousins vor mir sah. Die Brille hat eine ähnliche Wirkung, wissen Sie?“ dann fügte sie so unbefangen wie möglich hinzu. „Was meinen Sie übrigens mit Gates? Sollte ich dort durch meine Brille Bill Gates gesehen haben?“ schloss sie hastig fragend an mit der unbekümmertsten und  dümmsten Miene, die sie zu machen in der Lage war. – Frau Müller-Hein, wie sie sich nannte, schien mit der Antwort ganz und gar nicht zufrieden. Wie dumm war diese Person denn, schoss es ihr durch den Kopf oder war sie vielleicht so gerissen intelligent, dass sie alle leimte? Sie schien für einen kurzen Moment unschlüssig und ließ sich dann auf die Naivität ihres Gegenübers ein.  „Sie sehen alles mehrfach?“ – „Ja, irgendwie“ stammelte Rupp Rechta. Frau Müller-Hein schien die Antwort immer noch nicht zufriedenstellend genug zu sein. „Naja“, sagte sie. „Geben Sie mir die Brille mal wieder her!“ Schnell und unbemerkt wechselte sie die Brille Rupp Rechtas mit ihrer eigenen aus. Sie schaute noch einmal zu der Stelle, auf die Rupp Rechta geschaut hatte und wo ihre Spuren vom Aufschlag noch zu sehen waren und sah den Eingang des Gates nach wie vor nur grau in grau und im kurzen Takt von Lichtblitzen, die wie von Kristallen absorbiert erschienen, durchzuckt. Sie zuckte unmerklich mit ihren Schultern, doch nicht unmerklich genug, dass es Misses Rupp Rechta entgangen wäre. AHA, dachte sie!
Der CIA hatte doch extra diese Miss Rupp Rechta seit ihrem ungewöhnlichen Auftauchen in Findhorn an einem präparierten Fliederbusch, Anfang 1989, minutiös überwachen lassen, sinnierte die Gatekeeper-Assistentin vor sich hin. Zufällig war man damals vor Ort, denn diese Kommune war verdächtig, hatte sie doch aus einer Sandwüste eine fruchtbare Oase werden lassen. Solches durfte nicht einfach so Schule machen! Die Interessen und die Freiheit der Vereinigten Staaten, und damit der ganzen Welt, wurden durch derartige Projekte empfindlich beschädigt! Frau Müller-Klein alias Jane Cooper, Colorado, verunsicherte die Aussage der Misses Rupp Rechta. Man hatte sich erhofft, von ihr über noch fehlende Details des Gatebeamens wesentliche Auskünfte zu erhalten. Sie war in einer für sie unbequemen Lage. In 10 Minuten würde ihr Gatekeeper einen Rapport von ihr erwarten und der war nicht gerade aufschlussreich, was ihrer erhofften Beförderung mehr als nur im Wege sein würde. Es würde ein Schaden für den CIA und damit für die Vereinigten Staaten entstehen, den sie nicht so schnell würde ausbügeln können. Sie trug die volle Verantwortung für den Ausgang dieser Operation! Sie überlegte gerade, was das Protokoll für diesen Fall vorsah, als sie sich blitzschnell und intuitiv entschied, diesem Ausgang ein anderes Ende zu geben. Schnell drückte sie einen Knopf auf ihrer Uhr am linken Handgelenk. Sie musste es riskieren. Plötzlich löste sich alles, was Rupp Rechta bis eben sah, wie eine in Zeitlupe zerplatzende Seifenblase vor ihren Augen auf und in ihr machte sich ein Gefühl des freien Falls bemerkbar. Ihre Beine zuckten, ihre Herzfrequenz verdoppelte sich. Ganz plötzlich stoppte der freie Fall und es fühlte sich für einen ewigen Moment an wie beim Trampolinspringen. Mit einem entsetzlichen, jedoch stummen Schrei wachte sie im Sessel auf, in dem sie offensichtlich noch einmal eingenickt war! Es klopfte heftig an der Tür. Die ältere Dame, die sich als eine Frau Katzenklo vorgestellt hatte, lugte nun durch den geöffneten Türspalt zu ihr herein. Noch völlig benommen von ihrem Traum schaute sie Frau Katzenklo an, aschfahl im Gesicht. Es fühlte sich an wie ein dejá vu. „Ihnen scheint nicht ganz wohl zu sein?“ fragte sie rhetorisch mit einem dennoch erschrockenen Gesichtsausdruck. „Aber da ist eine Lady, die will sie unbedingt sprechen. Darf ich sie rein lassen, Misses Rupp Rechta?“

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Dienstag, 3. Juli 2012

Enthüllung


"Eierschecke?"
Die Frau hielt ihr eine Tüte hin. Rupp Rechta beäugte die Dame misstrauisch. Wie eine aus der DDR sah die nicht aus. Solchen Fummel, wie die anhatte, gabs nicht mal im Exquisit.
"Nein danke," sagte sie vorsichtig, "ich hatte gerade Erdbeertorte. Und Sie sind?"
"Müller-Hein, Karina-Adelinde. Bitte nennen Sie mich Frau Müller-Hein, Misses Rupp Rechta."
Oha, gleich zwei Doppelnamen. Na das konnte ja gut werden. Obwohl, eine liebe Freudin von Rupp Rechta hatte auch einen Doppelnamen, Lührer-Steu hieß sie, und die war sehr nett. Also mal keine voreiligen Schlüsse mein Frollein.
"Sie werden sich sicherlich wundern, warum ich Sie kontaktiere und woher ich Ihren Namen weiß. Wo Sie doch hier keinen Menschen kennen, nicht wahr?"
"In der Tat. Aber Sie werden mich sicher gleich aufklären."
Die Dame lächelte: "Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen", und winkte Rupp Rechta mit Ihrer manikürten Hand.
Zielstrebigen Schrittes und ohne sich weiter mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten liefen sie los, die staubige Straße hinunter, vorbei am OGS und hinein in den Garten, in dem Rupp Rechta gelandet war.
"Hier, nehmen Sie die und setzen Sie sie auf", die Frau reichte ihr eine Sonnenbrille, "und sagen Sie mir, was Sie sehen".
Rupp Rechta tat wie ihr geheißen. Und fiel vor Staunen fast um: sie sah lauter farbige Schlieren, die um das Gemüsebeet zu tanzen schienen, in welchem immer noch die Spuren ihrer Landung zu sehen waren. Ein bißchen sah das Muster aus wie etwas, was sie mal unter einem Mikroskop gesehen hatte, in ihrer Krankenschwesternklasse, als Virusinfektionen dran waren. Die Viren sahen auch so aus, länglich und beweglich - nur nicht so bunt wie das hier.
"Was ist das?" flüsterte sie ehrfürchtig.
"Das meine Liebe, ist eins der Gates. Und ich bin die Assistentin des Gatekeepers."

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Dienstag, 12. Juni 2012

Es wird alles ein bissel viel


Ohje. Rupp Rechta war ganz flau im Magen. Das war alles ein wenig viel für ihre Nerven. Von Langerweile konnte wohl nicht mehr die Rede sein! Schreibblockade! Ha! Sie hatte Stoff, der gut drei Jahre reichen würde! Doch vorher musste sie den Eingang für zurück finden. Ein lautes Knurren ließ sie zusammenfahren. Ihr Magen! Sie hatte Hunger und sie hatte nicht einen DDR-Pfennig! Betteln ging hier nicht, da würde gleich die VoPo* anrücken und sie einlochen. Billig war ja hier alles, erinnerte sie sich, doch auch billig wollte bezahlt sein! Sollte sie diesen Alfons Zitterbacke Hühnerkacke um seinen Altstoffwagen anbetteln und vielleicht auf ihre alten Tage noch Altstoffe sammeln? Man würde sie mit merkwürdigen Blicken bedenken. Altstoffe sammeln das war Pioniersache. Herrje! Sie öffnete vor lauter Verzweiflung ihre Handtasche. Da lag ihr Portemonnaie. Man ja! Ohmannomann! Wie konnte sie das nur vergessen? In der DDR konnte man doch locker mit Devisen bezahlen. Englische Pfund- das waren doch Devisen!

Schnell eilte sie in den nächstliegenden Konsum. Ah, da lag noch alles an seinem angestammten Platz, bzw. war leer gekauft. Hier die Wochenendbrote schön eingetütet in blaukarierte und rotkarierte Plastetüten. Dort die Tafelbutter für 2,40 Mark und daneben die Markenbutter für ganze 2,50 Mark. Die hatte noch Qualität, die Butter! Sie kaufte sich zwei Flaschen Neura, ein Stück Butter und ein Wochenendbrot mit Kümmel und Möhre. Dazu ein Stück Limburger Käse. Oh, sie würde herrlich stinken! Was Süßes käme ihr jetzt auch gerade recht! Für ihre Nerven, die schon völlig blank am Boden lagen. Hach die Schlagersüßtafel, da lag sie ja. Schnell angelte sie sich eine aus einem der Regale und noch ein Einkaufsnetz. An der Kasse verenglischte sie ihr Deutsch und fragte, ob sie auch „in Pounds, in echten inglischen Paunds“ bezahlen könne. Da gerade die Mittagszeit vorüber war und die Werktätigen noch in den Betrieben arbeiteten, war der Konsum ziemlich leer. Die Kassiererin blickte sich verstohlen um und flüsterte dann ein leises: „Ja, aber beeilen Sie sich bitte!“ Rupp Rechta bezahlte rasch. Die Verkäuferin ließ die Pfundnoten noch rascher in ihrer DKS*2) -Tasche verschwinden und beglich den fehlenden Betrag in der Kasse aus ihrem Portemonnaie mit der guten alten Alu-DDR-Mark. Jetzt begann der weitaus schwierigere Teil ihrer Aktion. Sie musste eine Parkbank finden, um endlich einmal sitzen zu können und ein Messer wäre auch nicht schlecht, dachte sie so bei sich. Doch Besteck kaufen würde sich als weitaus schwieriger erweisen. Mangelware, erinnerte sich Rupp Rechta. Als sie endlich eine Parkbank gefunden hatte, setzte sie sich erleichtert.

Doch ihre Erleichterung hielt nicht lange an, da setzte sich schon eine geschwätzige alte Dame zu ihr. Was die alles wissen wollte? Doch als sie mitbekam, dass Rupp Rechta eine englische Lädie aus Old England war, da rührten sich ihre Brandenburger Seele und die heimliche Hoffnung auf eine wenig Devisen gleichermaßen in ihr und sie lud sie kurzerhand zu sich auf einen Kaffee ein. Rondo-Kaffee und Erdbeertorte mit frischen Erdbeeren aus dem eigenen Garten. Rupp Rechta war es recht, wenn es nur bequem wäre und sie ein wenig zur Ruhe kam. Ob hier auch Zimmer vermietet würden, fragte sie noch und als die alte Dame dies bejahte und auf ihr Gartenhäuschen verwies, da atmete Rupp Rechta das erste Mal an diesem bewegenden Tage auf. Sie würde sich in Ruhe zurück ziehen und nachdenken können. Wie weit es wohl bis Berlin wäre mit der Bahn? Im Gartenhäuschen hing zum Glück eine alte DDR-Landkarte mit Bahnstrecken drauf. Rupp Rechta vermaß - knappe 50 km. Sie würde bei der Dame ihre letzen englischen Pfund, die sie bei sich trug in DDR-Mark umtauschen und sich dann ein Ticket nach Berlin, Ost!- Berlin, in die Hauptstadt der DDR kaufen. Dass man hier eine der legendären Streckenstilllegungen, wie sie in Deutschland zuhauf vorkamen,  zwischen Luckenwalde und Berlin vorgenommen haben würde, war zum Glück auszuschließen. Die gute alte DDR. Auf sowas war Verlass!  Erleichterung machte sich in ihr breit. Das Gespräch war ganz nett verlaufen und die Erdbeertorte war wirklich köstlich gewesen. Der Kaffee, naja?!
Rupp Rechta musste wohl im Sessel eingenickt sein, denn als sie wieder die Augen aufschlug, war es bereits dunkel draußen. Sie suchte den Lichtschalter und knipste ihn an. Sie musste unbedingt in Ruhe nachdenken. Wenn sie den Eingang (oder Ausgang) für zurück gefunden hatte, welchen Nutzen hatte sie davon, dass sie wusste, dass man Orte verlassen konnte, dass es Orte gab, an denen ihre Romanfiguren ein- und aussteigen konnten und einfach so in ihr reales Leben spazierten? War das hier überhaupt die DDR oder nur das, was in der Fantasie von Gerhardt-Holtz-Baumert samt seinem Alfons Zitterbacke – Hühnerkacke, dessen Lieblingsspeise Wackelpudding war, in einer virtuellen Welt zurück geblieben war? Und wie um alles in der Welt konnte sie damals – 1989, kurz vor der Wende überhaupt von einer realen Welt in die andere eingetaucht sein? Sie hatten damals den Eingang (oder Ausgang) aus der DDR nach Great Britain, Stonehenge gefunden, benutzt und das erfolgreich! War die DDR, in der sie einige Jahre ihres Lebens verbracht hatte etwa nur ein Fantasiegebilde gewesen, überhaupt nicht real existierend im real existierenden Sozialismus? Rupp Rechta wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Ob es überhaupt etwas zu denken gab. Es klopfte an der Tür. Die ältere Dame , die sich als eine Frau Katzenklo vorgestellt hatte (das musste man sich mal vorstellen! Frau  Katzenklo- unglaublich! Aber Rupp Rechta erschütterte derartiges schon lange nicht mehr), lugte jetzt durch den geöffneten Türspalt zu ihr herein: „Da ist eine Lady, die will sie unbedingt sprechen. Darf ich sie rein lassen, Misses Rupp Rechta?“
· 
VoPo* = Volkspolizei
DKS*2) = DederonKittelSchürze

nächste Wörter:
  •  Eierschecke
  • Virusinfektion
  • Nebensächlichkeiten

Donnerstag, 24. Mai 2012

Noch ganz dicht?

Alfons schob seinen Bollerwagen durch die staubige Einfahrt. Er hatte heute gutes Geld eingenommen, ganze 5,50 Mark! Es war ein Glückstreffer, die alte Frau hatte den ganzen Keller voll mit Zeitungsstapeln. Es war wohl noch nie jemand anderes auf die Idee gekommen, bei ihr zu klingeln und nach Altstoffen zu fragen, galt sie doch als leicht verschroben mit ihren Katzen und so. Ihn kümmerte das nicht; er würde nachher gleich in den Konsum laufen, sie hatten dort heute die heißbegehrten Mohrenköpfe bekommen. Er konnte eine ganze Zehnertüte kaufen und würde immer noch 4,50 Mark übrig haben für sein RFT-Sparschwein.
Ganz versunken in seine Gedanken erschrak er fürchterlich, als er plötzlich ein Zischen hörte, das in eine Art Brüllen überging und abrupt verstummte. Neugierig rannte er über den Rasen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war und blickte über die Hecke in den Garten der Nachbarn, wo er eine fremde Frau im Gemüsebeet sah, die sich verdutzt umschaute.
"He!", rief er, "wer sind Sie und was machen Sie in Herrn Burschels Gemüsebeet?"
"Später, Junge, das erklär ich dir später." -- "Vielleicht," fügte sie murmelnd hinzu und rappelte sich auf. Alles noch ganz, bis auf die paar Risse in ihrer Jacke. Nun gut, dachte sich Rupp Rechta - denn um keine geringere handelte es sich, wie der geneigte Leser sicher schon cleverlich bemerkt hat - irgendwo sind wir ja angekommen. Nur wo? Oder, besser gefragt, wann? Wenn sie sich so umschaute, nach England im 21 Jahrhundert sah das hier nicht so ganz aus. Eher wie - meine Güte, dort steht ja ein Trabi! Ist das etwa - ja, dort drüben ist ein OGS! Obst Gemüse Speisekartoffeln, sie erinnerte sich ganz genau! Dies hier ist ihre alte Heimat! Oder zumindest irgendwie wie ihre alten Heimat, irgendwie stimmte etwas nicht.
"Äh, Junge! Kannst du mir sagen, wie der Ort hier heisst? Und welches Datum wir haben?"
"Klar, das ist Luckenwalde und heute ist der 18. Mai!" Alfons kratzte sich am Kopp, nicht nur physisch. War die Frau genauso verrückt wie die Katzendame mit den Zeitungsstapeln im Keller? Naja und wennschon, damit konnte er umgehen.
"Und welches Jahr?"
"Äh, 1984?" - Die Frau war tatsächlich nicht ganz dicht. "Sie sind wohl nicht aus der Gegend, wie?"
"Später, Junge, das erklär ich dir später."
Sie spähte über die Hecke. Ein blauer Trabi mit Klappfix im Schlepptau knatterte die Straße entlang und zwei Frauen in Gummistiefeln und DKS* tratschten angeregt auf dem Bürgersteig, jede mit einem Einkaufsnetz in der Hand. 1984! Sie war in die Vergangenheit gereist, und ausgerechnet in der DDR gelandet.
"Wie heisst du denn eigentlich, Junge?"
"Alfons heiß ich. Alfons Zitterbacke."
Rupp Rechta prustete los. "Alfons Zitterbacke? Wohl zuviel 'Alfons Zitterbacke' gelesen?" Erschrocken hielt sie inne. Der Junge meinte es ernst! Aber das hieß ... - konnte das möglich sein? Ihre Gedanken überschlugen sich. War dies hier sowas wie Phantásien? Der Ort, von dem Kloppi Klaus und Mrs Klappauf stammten? Das würde zumindest erklären, dass die beiden ganz real in ihrer eigenen Welt auftauchen konnten, wenn man berücksichtigte, dass es eine Verbindung zwischen beiden Welten gab. Deren Eingang (oder Ausgang) in Stonehenge lag. Und deren Ausgang (oder Eingang) zurück es denn auch wieder zu finden galt, um die Retoure nach 'Realién' anzutreten.

*DKS: Dederon-Kittelschürze


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Katzenklo
Wackelpudding
Streckenstilllegung



Montag, 7. Mai 2012

Unheimliche Begegnungen


Und so saß sie und sann. Und saß. Und sann. 'Oh Schreck,' dachte sie, 'eine Schreibblockade. Wenn ich da mal nicht schieflage mit meinen Plänen.' Und so saß sie weiter. Langweilig war es. Mit einer Schreibblockade, was fing sie an mit all ihrer Zeit, die sie ja nun hatte? Früher war ja ihr gesamtes Organisationstalent gefragt, den Haushalt für den Lutenent zu versorgen. Jetzt aber war alles blitzeblank und propper, wenn niemand mehr Senfeier am Schreibtisch verspas und -krümelte.
'Nun,' so dachte sich Rupp Rechta, 'da kann ich genausogut einen schönen Ausflug unternehmen. Wie ein Tourist, das habe ich ja viel zu wenig gemacht, schade drum. Hatte ja nie Zeit, seit ich hier zum Lutenent gekommen bin, damals 1989.'
Gesagt getan, Rupp Rechta war noch nie ein Kind langwieriger Entscheidungen, das wurde ihr schon in der Kita-Frühförderung beigebracht. Und so schnappte sie sich ihre neue Kamera, setzte sich in den Bus und fuhr nach Stonehenge. So wie es die Touristen tun.


Und die Touristen taten es in der Tat, Rupp Rechta war ganz überwältigt von der Masse an Leuten, die sich dort tummelten. Sie stieß, bahnte, pflügte sich ihren Weg durch die Menge, um zum Eingang zu gelagen und einen Blick auf die alten Steine werfen zu können. Und natürlich Fotos zu machen.
Doch was war das? Der Auflauf der Massen galt, wie es sich herausstellte, gar nicht den Steinen, sondern einem ganz anderen Objekt, etwas abseits des Parkplatzes. Polizeiautos standen dort, und einige Beamte suchten die Leute in Schach zu halten! Gab es einen Mord? Rupp Rechta schien ja verfolgt von Kriminalangelegenheiten!
Sie spähte und lugte zwischen den Köpfen der aufgeregten Meute, doch sie konnte nicht erkennen, was sich abspielte. Doch halt! War das dort nicht der Sergeant Libbe? Der schien ihr ja überall zu begegnen! Beunruhigt kämpfte sie sich noch näher heran.


Was ging denn hier vor? Wieso war der Sergeant hier? War das Zufall? Wenn ja, dann ein ausgeprochen seltsamer. "Rupp Rechta!" Der Sergeant hatte sie erspäht. "Treten Sie näher! Lassen Sie die Lady durch, Herrschaften!"
Und als ob er ihre Gedanken lesen könnte, sagte der Sergeant: "Glauben Sie an Zufälle? Ich bin geneigt, es nicht zu tun, meine Liebe. Und deswegen wundert es mich nicht, dass ich Sie hier treffe. Ich nehme an, dass Sie wissen, dass Ihr Freund hier aufgetaucht ist?" Verblüfft fing Rupp Rechta an, ihre Nägel zu benagen. Das tat sie immer, wenn sie aufgeregt war.
"Mein Freund? Sergeant Libbe, ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Welchen Freund meinen Sie denn, for gods sake?"
Der Sergeant musterte sie mit Kriminalblick. Durchdringend und kriminalistisch. Darin war er geübt, und sein Instinkt sagte ihm, dass diese behäbige, aber umgängliche und angenehme Person nicht mit genügend scharfsinnigem Verstand gesegnet war, um solche Unschuld vorzutäuschen.
Langsam sagte er: "Ihr Freund, den wir zusammen mit einer weiteren zwielichtigen Person, weiblichen Geschlechts, in Lutenent Grimms Haus gesehen haben, an dem Tag als der Lutenent gestorben ist."
Rupp Rechta blieb die Luft weg. Kloppi Klaus? Der war ebenfalls hier?
"Er ist dort drüben, bei den Wagen. Gehen Sie und überzeugen Sie sich." Sie sah wohl so verstört aus, dass der Sergeant jeden Verdacht gegen Sie fallengelassen hatte.


Kloppi Klaus sah allerdings nicht minder verstört aus als sie selber sich fühlte. Er stand in Handschellen an einem der Wagen und sah unglücklich drein, als er sie kommen sah.
"Oh Rupp Rechta, bitte verzeih. Die Dinge sind aus dem Ruder gelaufen. So haben wir das nicht geplant!"
"Kloppi Klaus, wovon redest du denn? Und was machst du bloß hier?"
"Zuerst waren wir überzeugt, dass es nicht schief gehen könnte. Doch dann war alles doch viel schwieriger, als wir es uns vorgestellt hatten. Das System war einfach viel zu kaputt! Und deswegen wollten wir wieder zurück kommen. Wo allerdings Mrs Klappauf ist und warum ich in Stonehenge herausgekommen bin, kann ich mir nicht erklären."
"Kloppi..." Rupp Rechta machte sich nun nicht nur um ihre eigene mentale Gesundheit Sorgen, sondern auch um Kloppis. Sofern Phantasiegestalten überhaupt so etwas besaßen.
"Genau zwischen den Steinen, hab mir sogar noch den Kopf angehauen", Kloppi Klaus hatte sich in Rage geredet, "und das kann ja schlussendlich nur bedeuten, dass der Generator nicht richtig funktioniert hat und ich irgendwie in die Abzweigung hierher geraten bin."
"Kloppi ....!"
"...Was wiederum bedeutet, dass wir gerade entdeckt haben, woran die Archäologen schon so lange rätseln..."
"KLOPPIII!!!!!!", Rupp Rechta hatte den armen verwirrten Kloppi am Kragen gepackt, "Jetzt sag mir sofort, was hier vorgeht!!"
"Aber das versuch ich doch die ganze Zeit zu erklären, es sind eine Art Wurmgänge! Genau dieselben, durch die wir damals..."


Rupp Rechta verlor die Nerven: "Hier hast du meine Mobilnummer Kloppi, wenn du mich brauchst ruf mich an." Sie drückte ihm den Zettel in die behandschellte Hand und rannte los. In ihrem Kopf hatte sich eine Idee manifestiert und sie musste einfach wissen, ob es stimmte. So drängelte sie so schnell es ging zurück durch die Menge und zum Eingang zum Steinkreis. Die Massen schienen glücklicherweise komplett abgelenkt durch die Vorgänge auf dem Parkplatz, so dass die Steine unbevölkert und außerdem auch ohne Aufsicht waren. Perfekt! Rupp Rechta rannte die letzten paar Meter, hechtete über die niedrige Absperrung und warf sich zwischen die Steine. Wo sie auf der Stelle verschluckt wurde.


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Gummistiefel
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Samstag, 31. März 2012

Ein neues Leben beginnt

Es war ein sonniger Tag. Rupprechta nahm ein heißes Bad in ihrem modernen Bad in ihrem niegelnagelneuen Häuschen. Nun es war schon älter, doch für Rupprechta war es niegelnagelneu. Vorige Woche hatte sie es eilig herrichten lassen. Die Woche davor hatte sie „es“ gefunden, ihr Häuschen mit Blick aufs Meer! Von ihrer Wohnstube aus konnte sie direkt in einen kleinen Garten gelangen und dahinter war das Meer. Ein Traum ging für sie in Erfüllung. Dass sie ihren einstigen Dienstherrn beerben würde, nie wäre sie auf einen solchen Gedanken gekommen. Im Traum nicht. Sie schrubbte sich ordentlich den Rücken und genoss das Parfum, welches sie dem Bade zugesetzt hatte. Es roch herrlich. Sie war jetzt eine Mesdame, eine richtige Lady bis an ihr Lebensende. Was hatte sie doch für ein Glück gehabt, obwohl es erst aussah, als wäre es ein Unglück. Sie stieg aus der Wanne und nahm das Handtuch, welches sie über den Badeofen gehängt hatte. Flauschig war es und richtig schön warm. Wie hatte sie sich nach einem solchen Erlebnis gesehnt! Sie trällerte etwas schief ein Liedchen vor sich hin. Einen völlig neuen Schlager – Puttin on the Ritz! – Ja einen Umberella konnte sie jetzt auch ihr eigen nennen, bildschön war der und furchtbar elegant! Noch schien die Sonne, nun ja – hier in Brighton würde der Regen nicht allzu lange auf sich warten lassen! Sie trällerte. Dann schlüpfte sie in ihre neuen, wolligen Hauspantoffeln, zog sich einen seidenen Kaftan über und machte es sich bei einer Tasse Tee in ihrem Sessel gemütlich. Sie schaute sich um in ihrer eigenen Wohnstube. Da stand ein schöner Eichentisch umgeben von vier Lederstühlen und ein gemütliches, weinrotes Plüschsofa. Am anderen Ende der Stube stand ein alter Schreibtisch mit einer funkelnagelneuen Schreibmaschine darauf. Daneben ein hoher Stapel Papier. Gleich würde sie ihrer Leidenschaft frönen und weiter an ihrem Roman schreiben. Wie hatte sie sich auf diesen Moment gefreut!

* Schieflage

* Organisationstalent

* Frühförderung